Beglückende musikalische Erfahrung
Wiener Singverein on tour mit Arthur Honeggers „Jeanne d’Arc au bûcher“
In vier berühmten Konzertsälen in den Metropolen Wien, Paris, Frankfurt und Hamburg führte der Wiener Singverein zwischen dem 12. und 18. Dezember 2024 Arthur Honeggers dramatisches Oratorium „Jeanne d’Arc au bûcher“ auf. Die Geschichte der französischen Widerstandskämpferin und französischen Nationalheldin Johanna von Orléans hat der Komponist Arthur Honegger 1938 in kraftvollen, dramatischen Bildern zu einem großen Oratorium geformt, den Text lieferte der Dichter Paul Claudel. Das Stück wird aufgrund seiner Größe und Schwierigkeit sehr selten gegeben, insofern war es ein Glücksfall, dass sich der amtierende Chefdirigent des Symphonieorchesters des Hessischen Rundfunks (HR), Alain Altinoglu, den stimmstarken Wiener Singverein als Chor für seine Aufführungsserie wünschte.
Die Endproben fanden im HR-Sendesaal in Frankfurt am Main statt, das erste Konzert in der Alten Oper Frankfurt, dort wurde auch ein Rundfunkmitschnitt erstellt. Schon Wochen zuvor hatte sich der Singverein, einstudiert von Johannes Prinz, eingehend mit Text und Musik beschäftigt und Claudels „raffiniertes Französisch“, dessen Deklamation später in mehreren Kritiken gelobt wurde, zur Aufführungsreife gebracht. Zudem ist die Mitwirkung der Chöre im Stück auch musikalisch sehr anspruchsvoll und reicht von ausschweifender Erzählung mit Rufen, Schreien und Kommentaren bis hin zu „Stimmen aus dem Himmel“ und der emotionalen Begleitung von Jeannes Tod in den Flammen.
Bereits das erste Konzert in Frankfurt war ein voller Erfolg, auf den Punkt musiziert und in höchster Spannung vom Singverein ausgestaltet, der zuvor schon einen anstrengenden ersten Tag mit frühem Flug, Klavier- und Orchesterprobe gemeistert hatte. Mit der Bahn ging es am Tag nach dem Konzert nach Paris, und es galt sich bei flotten 318 km/h im ICE gut zu erholen, denn am gleichen Abend stand bereits das Konzert in der Pariser Philharmonie an, ein 2015 eröffneter, beeindruckender Bau am Kulturareal La Villette im 19. Arondissement, in dem die berühmten Orchester und Ensembles der Welt gastieren.
Die Aufführung in der Originalsprache am Ort der Entstehung geriet zu einem fantastischen Erlebnis, nicht nur, weil das Pariser Publikum mit besonderem Enthusiasmus alle Mitwirkenden feierte, sondern weil auch der diesmal beteiligte Kinderchor des Orchestre de Paris mit 128 Stimmen direkt hinter dem Singverein postiert seine glockenklaren Parts beisteuerte. Auch die Kritik zeigte sich begeistert vom Wiener Singverein, der auch vier Soloparts aus dem Chor heraus überzeugend und ganz selbstverständlich besetzen konnte.
So konnte der Singverein auf dieser Europatour vier unterschiedliche Säle mit ihren Akustiken besingen, was eine immer neu zu leistende Herausforderung darstellte und das musikalische Miteinander enorm schulte. Und natürlich gab es auch ein wenig Zeit in Paris, um gemeinsam mit Chorkollegen etwas zu unternehmen, sei es eine Stärkung in der nächsten Brasserie, ein Pilgerspaziergang zum Grab von Arthur Honegger oder einen Ausflug zu den zahlreichen Sehenswürdigkeiten im extra für uns sonnigen Paris. Gottlob ging auch niemand im trubeligen Weihnachtseinkauf im berühmten „La Fayette“-Kaufhaus verloren, denn schließlich standen noch zwei weitere Konzerte im Kalender.
Zwei Tage später fand das „Heimspiel“ im fast voll besetzten Goldenen Saal im Wiener Musikverein statt, und zum Abschluss wartete das Debüt in der Hamburger Elbphilharmonie auf den Chor. In Wien erfreute sich das Publikum erneut an der dramatischen Ausdeutung von Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard in der Hauptrolle der Jeanne, den singenden und sprechenden Solisten, den Wiener Chormädchen sowie der immer detaillierter ausgefeilten Interpretation durch den Singverein, dem Alain Altinoglu vom Pult aus letzten Schliff gab. Den Dezembergrippen weitgehend trotzend trat der Chor nur zwei Tage später die Reise nach Hamburg an. Mit der berüchtigten direkt-trockenen, dennoch hervorragenden Saalakustik in der Elbphilharmonie kam noch einmal eine Herausforderung auf den Singverein zu.
Doch der Zauber des letzten Konzertes der Serie an diesem besonderen Ort beflügelte wohl die Stimmen und wir sind uns sicher, dass auch das Hamburger Publikum einen eindrücklichen Konzertabend erhalten hat. Am anderen Morgen konnten wir uns noch einmal den stürmischen Seewind, der aus Westen nach Hamburg hereinzog, um die Nase wehen lassen und kehrten beglückt von den gemeinsamen musikalischen und menschlichen Erlebnissen nach Wien zurück.
(Text: Alexander Keuk)
Wiener Singverein
hr-Sinfonieorchester
Verschiedene Kinderchöre
Marion Cotillard | Jeanne d’Arc
Éric Génovèse, sociétaire la Comédie-Française | Frère Dominique
Jean-Baptiste Le Vaillant | Sprecher
Benjamin Gazzari Guillet | Sprecher
Ilse Eerens | Sopran
Isabelle Druet | Mezzosopran
Svetlana Lifar | Mezzosopran
Julien Dran | Tenor
Nicolas Courjal | Bass
Alain Altinoglu | Dirigent
Arthur Honegger | Jeanne d'Arc au bûcher